Früher unfassbar, heute Realität: Täter-Opfer Umkehr des Ukraine-Kriegs

Unfassbare Täter-Opfer-Umkehr aus Amerika
Unfassbare Täter-Opfer-Umkehr aus Amerika

Es gibt immer Dinge, die man sich so nicht vorstellen konnte und deren Realität, sie zu begreifen, einem einiges abverlangt. Was aber in der letzten Woche passiert ist, das ist mehr als eine Zeitenwende. Das ist eher eine Weltwende.

Putinrussland überfällt die Ukraine

Für alle, die aufgrund der Aussagen des amtierenden US-Präsidenten irritiert sind noch einmal zur Klarstellung: Russland hat vor knapp drei Jahren die Ukraine überfallen. Zum zweiten Mal genau genommen. Putin, ein lupenreiner Diktator, hat den Befehl dazu gegeben.

Wenn man dieses allgemeine Verständnis von: „Ich brenne nicht mal einfach so das Haus meines Nachbarn nieder“ einmal voraussetzt, dann sollte das auch schlicht klar sein.

Ist Trump der Putin-Propaganda aufgesessen? Gilt nur noch Wild West – das Recht des stärkeren?

Die letzte Schlagzeile, die wir zum Beispiel bei NTV heute mitnehmen konnten lautet: „Trump: Selenskyj-Teilnahme an Friedensgesprächen nicht wichtig“. Gestern noch behauptet Trump, der Ukrainische Präsident sei ein Diktator ohne Legitimation, den sein Volk verachte.

Selbstverständlich gehört die Ukraine und deren gewählter Präsident an den Verhandlungstisch. Selbstverständlich gehört auch Eurpa an den Tisch, denn wir werden sicherlich auch für den weiteren Frieden in unserem Kontinent eine maßgebliche Verantwortung übernehmen müssen.

Natürlich – wenn man eben den Falschen glaubt, dann ist das so. Und man wird dann sicherlich auch aus Russland hören, dass Europa viel besser bei ihnen aufgehoben wäre. Und natürlich auch: Dass die Meinungsfreiheit in Europa komplett unterdrückt wird. Das hört man natürlich auch von Elon Musk, denn man will ja in Europa unter Umständen schon vermeiden, dass automatisiert und mit KI berechnete Fake-News komplett das Ruder übernehmen.

Letzter Aufruf: Europa muss endlich für sich selbst sorgen!

Wie man es aber dreht und wendet: Wir als Europa müssen nun endlich einsehen, dass das Schutzhotel Mama-Amerika schlicht nicht mehr zur Verfügung steht. Wir müssen einsehen, dass die europäischen Staaten selbst zur Verteidigung unseres Kontinents, der EU und natürlich auch der Demokratie parat stehen müssen und sie dementsprechend auch finanzieren.

2 % des BIP für Verteidigungsausgaben – das ist eigentlich Bestandteil des NATO-Vertrags. Dem haben wir uns in der Vergangenheit geradezu trotzig entzogen. Das merkt man nun schmerzlich und es wird in den nächsten Jahren möglicherweise eben nicht mit diesen zwei Prozent getan sein.

Ist Amerika überhaupt noch ein demokratischer Staat?

Grundsätzlich ist Donald Trump demokratisch gewählt. Da hat niemand dran gerüttelt und da wird auch niemand dran rütteln oder die Wahl in Frage stellen. Ob er aber ein legitimer Präsident ist? Für mich gehört da mehr zu. Es gehört nämlich auch dazu, dass man Recht und Ordnung respektiert und fundamentale Prinzipien wie Gewaltenteilung anerkennt. Und da kommen mir doch mächtige Zweifel beim amtierenden US-Präsidenten. Die hat er – ebenfalls in der letzten Woche – mehrfach kundgetan.

Wenn Amerika nicht extrem schnell aufwacht, dann könnte es das mit einem demokratischen Staat gewesen sein. Und das ist für die Weltordnung wahrscheinlich noch einmal deutlich schlimmer als der Überfall von Russland auf die Ukraine. Russland hatten wir die Jahre davor bereits argwöhnisch beäugt.

In Amerika haben wir wahrscheinlich viel zu lange auf Vernunft gehofft. Auf Frauen, Wähler mit Migrationshintergrund, die Kamalla Harris wählen. Nein – es kam eben anders. Ist ein bisschen wie mit russischem Gas, das wir dem schröderschen lupenreinen Demokraten Putin abgekauft haben.

Aber wie oft wollen wir uns noch einen Bären aufbinden lassen?

Freiheit, Demokratie, Wahrheit: Das ist alles ein schwieriges Geschäft

Die meisten von uns sind ihr Leben lang in einer Demokratie groß geworden. Eine Grundfeste. „Das ist immer so“. Ja Pustekuchen. Wir erleben immer mehr eine Welt, in der morgen nichts mehr so ist wie noch gestern althergebracht.

Freiheit, Demokratie, Wahrheit – das sind drei Errungenschaften. Und das Wort Errungenschaft kommt nunmal von ringen. Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, dass Freiheit eben nicht vom Himmel fällt, sondern wir täglich darum ringen müssen. Und das gilt auch für Demokratie. Wir müssen darum Ringen, unsere Meinung möglichst gut einzubringen. Aber wir dürfen uns dem Diskurs nicht verweigern. Wir müssen schnellstens lernen, wieder vernünftige Kompromisse einzugehen und nicht auf unseren Ideologien sitzen zu bleiben.

Wenn wir nicht aufpassen rutscht auch unsere Demokratie da hin, wo Amerika jetzt schon ist: Am Ende der Freiheit. Am Ende der Pressefreiheit, dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Agentur AP ist schon in Ungnade gefallen, weil für sie der Golf von Mexiko noch der Golf von Mexiko ist. Was für ein Frevel.

Morgen ist Bundestagswahl. Zeit und Gelegenheit, die beiden Kreuze an der richtigen Stelle zu machen.

(christian schön, fraktionsvorsitzender)

[update 06:09 Uhr] Die Zeilen waren noch nicht trocken, da kommt die nächste Botschaft: Die USA haben eine UN-Resolution eingebracht, die keinen Angreifer mehr benennt und die Schuldfrage am Krieg somit im nettesten Fall zumindest einmal beiden Staaten in die Schuhe schiebt. Einer unserer wichtigsten Partner überzieht die Welt also weiterhin und immer umfassender mit Fake News und destabilisiert unsere Demokratien. Das dürfen wir nicht zulassen!