(Meinerzhagen, 02.01.11) Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
bitte gestatten Sie mir, dass ich, wie jedes Jahr, weder über die Landesregierung, noch über unsere Pflichtaufgaben oder die böse Kreisumlage lamentieren will, sondern unsere Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort in Erinnerung rufen möchte – Gestaltungsmöglichkeiten, die andere Kommunen, denen es viel früher viel schlechter ging als uns, längst genutzt haben und deshalb heute weiter sind als wir. In der Privatwirtschaft ist die Orientierung an den Erfolgreichsten gängige Praxis. Warum nicht bei uns?
Die aktuelle Krise der Gemeindefinanzen wird gern als Generalablass für die seit Jahren und Jahrzehnten vorhandenen strukturellen Probleme in den Kommunalhaushalten von denjenigen instrumentalisiert, die entweder aus sturem Konservativismus alles so belassen wollen wie es ist, oder sich immer noch der Vorstellung hingeben, der Staat sei für die Rundumversorgung der Bevölkerung zuständig. Beide Haltungen führen notwendigerweise, wie bei uns in Meinerzhagen, zu einer ausufernden Verschuldung, deren Zinslasten uns die Luft zum Atmen nehmen und in Zukunft immer mehr nehmen werden.
Natürlich ist die Notwendigkeit einer Gemeindefinanzreform unbestritten, aber Konsens ist doch ebenfalls, dass wir es heute schon, auch hier bei uns, mit einem tiefgreifenden wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Wandel zu tun haben, der von allen Beteiligten, also auch von den Kommunen, durchgreifende Strukturveränderungen verlangt.
Doch, wie schon in der Vergangenheit, geht auch von diesem Haushaltsentwurf, meine Damen und Herren, keinerlei Gestaltungskraft aus. Dennoch wird ihn die FDP in diesem Jahr mittragen, weil für wirksame Strukturreformen noch keine Mehrheiten in Sicht sind – mit einer erfreulichen Ausnahme, aber dazu gleich mehr.
Wir haben an dieser Stelle schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Meinerzhagen kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem hat. Wenn wir keine Schulden hätten, bräuchten wir auch keine zu machen. Denn im Durchschnitt der zurückliegenden Jahre entspricht der jährlich zu leistende Kapitaldienst für aufgenommene Kredite betragsmäßig recht exakt der jährlichen Neuverschuldung, zurzeit etwa zwei Mio. Euro.
Und wir haben auch schon mehrfach auf die drei Stellschrauben hingewiesen, an denen wir auf der Ausgabenseite drehen müssen, um unseren Beitrag zu einer Haushaltskonsolidierung zu leisten.
Die erste dieser drei Stellschrauben auf der Ausgabenseite ist der Personalbereich. Hier haben wir mit der nunmehr in Angriff genommenen Reform der Organisationsstruktur im Rathaus, die Bestandteil des von der CDU initiierten Personalentwicklungskonzepts ist und die insbesondere von der FDP sowie Teilen der Mitarbeiterschaft von Anfang an nachdrücklich eingefordert wurde, den Anfang gemacht.
Effizienzgewinne als Ergebnis dieser Reform werden zusammen mit einigen von der FDP angestrebten flankierenden Maßnahmen, die die Verwaltung entlasten sollen, – vom Hausmeisterpool über die Beteiligung von Vereinen am Betrieb von städtischen Einrichtungen bis hin zur Übertragung von Organisationsaufgaben ans Stadtmarketing (und das ist keine abschließende Aufzählung) -, mittel- bis langfristig einen wichtigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten können.
Die zweite dieser Stellschrauben ist das Gebäudemanagement. Dieser haushaltswirtschaftlich wichtige Bereich erhält nun in der neuen Organisationsstruktur ein eigenes Referat.
Die dritte Stellschraube, die uns auf der Ausgabenseite zur Verfügung steht, ist bekanntlich die von der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) bereits in 2005 umfassend geforderte, in Meinerzhagen aber bisher nicht einmal ansatzweise stattgefundene Aufgabenkritik. Dabei müssen wir längst nicht alles so machen, wie wir es bisher gemacht haben. Vieles ließe sich völlig anders organisieren, doch unsere Bürger am Konsolidierungsprozess zu beteiligen, fällt im Rat insbesondere den Konservativen und der SPD noch zu schwer.
Auf der Einnahmeseite gibt es nur eine Möglichkeit, aus eigener Kraft einen Beitrag zur Gesundung unserer Finanzen zu leisten, und das ist eine aktive Wirtschaftsförderung aus dem Rathaus heraus, und damit meinen wir eine aktive Akquisition von neuen Unternehmen insbesondere aus Zukunftsbranchen.
Gewerbeflächen ins Internet zu stellen und dann zu schauen, ob jemand kommt, reicht heute längst nicht mehr aus, wenn man seine Stadt als Wirtschaftsstandort vermarkten will. Dabei haben wir hier bei uns die besten Voraussetzungen dafür. Unserer Nachbarstadt Drolshagen ist es in vergleichsweise kurzer Zeit gelungen, zwei Gewerbegebiete komplett am Markt zu platzieren. Mehr als 20 neue Unternehmen wurden angesiedelt, während bei uns, nur wenige Kilometer entfernt, die Zahl der Neuansiedlungen höchst überschaubar blieb.
Denjenigen, die von sich aus zu uns kommen wollten, und ansässigen Unternehmen, die sich verändern wollten, wurde in Meinerzhagen selbstverständlich geholfen, doch aktive Wirtschaftsförderung ist mehr. Wir müssen uns fragen, welchen Branchenmix wir haben wollen, weiterhin, welche Branche uns im Hinblick darauf noch fehlt, und dann muss man dahin gehen, wo diejenigen sind, die wir gerne bei uns hätten.
In der neuen Organisationsstruktur ist eine Stabsstelle „Wirtschaftsförderung“ beim Bürgermeister vorgesehen. Doch Stabsstellen arbeiten hinter den Kulissen, Stabsstellen arbeiten zu. Doch wenn man erfolgreich verkaufen will, sind persönliche Kontakte unerlässlich.
Diese aktive Wirtschaftsförderung, so wie wir sie verstehen, meine Damen und Herren, ist nicht nur im Hinblick auf unsere Gewerbesteuereinnahmen, sondern auch unter anderen Stadtentwicklungsgesichtspunkten unverzichtbar. Und Stadtentwicklung ist neben der Haushaltskonsolidierung und einer bedarfsgerechten Bildungs- und Schulpolitik derjenige Politikbereich, der uns in den nächsten Jahren am meisten beschäftigen wird.
Der Bevölkerungsrückgang, der uns für die nächsten 20 Jahre prognostiziert wird, ist dramatisch, meine Damen und Herren. Ohne zukunftssichere Arbeitsplätze werden wir dem nichts entgegensetzen können, werden wir junge Familien nicht in Meinerzhagen halten bzw. nicht bewegen können, von außerhalb hierher zu ziehen.
In mancherlei Hinsicht gilt es, die Attraktivität unserer Stadt für Familien und Senioren gleichermaßen zu steigern. Das wird Geld kosten. Angesichts knapper Haushaltsmittel wird es im Rat darum gehen, möglichst einvernehmlich Prioritäten zu setzen. Davon, in der Breite nur das Nötigste zu tun, halten wir überhaupt nichts.
Wir müssen uns einig werden darüber, was wir unter Stadtentwicklungsgesichtspunkten bewegen wollen, das dann aber richtig und ganz, weiterhin darüber, was wir zurückstellen wollen, und nicht zuletzt darüber, was wir, um es zu erhalten, anders organisieren wollen, möglicherweise unter Bürgerbeteiligung. Das setzt aber eine hohe Akzeptanz für diese Maßnahmen in der Bürgerschaft voraus, meine Damen und Herren. Dafür müssen wir werben, Verwaltung und Rat zusammen!
Bei der Notwendigkeit, in der Bürgerschaft ein Verantwortungsgefühl für unser Gemeinwesen entstehen zu lassen, kommt dem Stadtmarketingprozess eine Schlüsselrolle zu. Ihn sollten Verwaltung und Politik befördern, wo es nur geht, ihm Steine aus dem Weg räumen statt ihn und seine Protagonisten bei jeder Gelegenheit in Frage zu stellen.
Mit unserem Stadtmarketing auf der einen Seite und der Reform der Organisationsstruktur im Rathaus auf der anderen Seite sind wir auf einem guten Weg. Zarte Pflänzchen werden sichtbar. Lassen wir sie wachsen und lasst uns neue pflanzen.
Wie sagte Giuseppe Tomasi, Fürst von Lampedusa, in seinem Roman „Der Leopard“: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, dann muss sich alles ändern.“