Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Bitte gestatten Sie mir, dass ich in meiner Haushaltsrede nicht über den Haushalt rede, zumindest nicht über diesen, dem die FDP-Fraktion in der vorliegenden Form zustimmen wird.
Wenn wir uns nicht mit dem vorliegenden Haushalt befassen wollen, so wollen wir uns allerdings mit den kommenden vier Haushaltsjahren beschäftigen. Die nächsten drei Jahre werden wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Haushaltssicherung verbringen – davon können wir ausgehen. Auch wenn wir sicherlich alle gemeinsam hoffen, aber wir müssen davon ausgehen. Fest steht allerdings auch, dass die Finanzprobleme der Gemeinden zwar grundsätzlicher struktureller Art sind, das ist heute mehrfach angesprochen worden, es gibt aber dennoch Gestaltungsspielräume bei den Strukturen auf der Ausgabeseite. Wir wissen es alle, aber kaum jemand sagt es heute, jedenfalls hat es niemand gesagt. Wenn
wir nach drei Jahren Haushaltssicherung auch im vierten Jahr, also im Jahr 2009, keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, dann wird uns die Aufsichtsbehörde bis auf weiteres das Haushalten abnehmen und dann wird es keine freiwilligen Leistungen mehr geben, das heißt Ausgaben für Jugend, Kultur, Sport und Freizeit. Nun wäre es natürlich einfach, so lange zu warten, bis die Bezirksregierung uns die Freibäder und die Musikschule schließt. Aber man sollte nicht der Aufsichtsbehörde im Wahljahr 2009 den Schwarzen Peter zuschieben, um vor den Wähler zu treten und zu sagen: Wir waren es nicht, die waren es! Was ist also zu tun? Es geht darum, aus unserer Sicht jedenfalls, jetzt, hier und heute konsequente, haushaltspolitische Entscheidungen zu treffen, damit wir spätestens 2009
überhaupt noch irgendetwas entscheiden können hier im Rat. Politik ist doch, meine Damen und Herren, nicht das Verwalten von Missständen. Politik ist
doch, so habe ich es zumindest gelesen, das Gestalten von Zukunft. Und wir, die wir hier sitzen, wollen doch nicht nur den Mangel verwalten. Wir wollen Politik machen und das heißt, unsere Lebensumstände und die unserer Kinder und Enkel gestalten. Es geht für uns alle, denke ich, um den erstens rechtzeitigen und zweitens geordneten Rückzug aus den freiwilligen Leistungen, um uns unsere Handlungsfähigkeit zu erhalten. Diese Handlungsfähigkeit ist kein Wert an sich, aber wir müssen sie nutzen, um neuen Anforderungen gerecht zu werden. Die offene Ganztagsgrundschule zum Beispiel ist, zugegebener Maßen, eine Übergangslösung, aber diese Einrichtung leitet über zur Ganztagsschule, die als Regelschule genauso wie das Vorschuljahr mit Sprachförderung kommen wird. Beide Maßnahmen stellen für die Kommune neue Aufgaben dar, die finanziert werden müssen. Und zwar nicht nur, weil das Land Nordrhein-Westfalen es verlangt, sondern, weil es im Zeitalter der Globalisierung für unsere Kinder und Enkel und unsere gesamte Gesellschaft mit ihrem relativen Wohlstand eine existenzielle Frage geworden ist. Und wenn wir mit knappen Mitteln etwas Neues schultern müssen wie diese Anforderung im Bildungsbereich, dann ist es doch logischerweise notwendig, etwas, das wir bisher gemacht haben, aufzugeben. Anders geht es ja nicht. Und wenn wir uns nun schrittweise aus der Finanzierung von Kultur- und Sporteinrichtungen zurückziehen und stattdessen die Bürger mehr und mehr am Betrieb und Unterhalt dieser Einrichtungen beteiligen, dann ist dies zum
einen der einzige Weg, diese Einrichtungen, die uns allen lieb und teuer sind, zu erhalten.
Zum anderen sorgt der Bürger, der sich hierfür engagiert mittelbar dafür, dass seine Kinder und Enkel das notwendige Rüstzeug für die Zukunft haben. Um Chancengleichheit zu wahren, muss Bildung in Deutschland in der Primarstufe und in der Sekundarstufe kostenlos sein. Die offene Ganztagsgrundschule ist als Vorläuferin der Ganztagsregelschule von ihrem Selbstverständnis und von ihrem Anspruch her eine Bildungseinrichtung, in der begonnen werden soll, unsere Defizite im Bildungsbereich abzubauen. Ich darf zitieren aus einem Beitrag der Westfälischen Rundschau vom 16.12.2004: “Die offene Ganztagsgrundschule soll die Bildungsqualität und die Chancengleichheit durch Förderung von leistungsstarken und benachteiligten Kindern verbessern. Während der Nachmittagsbetreuung sollen die Kinder Bildungsangebote in musischen, kreativen, experimentellen, naturwissenschaftlichen und bewegungsorientierten Bereichen erhalten, die ihre Interessen und Fähigkeiten anregen.“ Damit ist keine Kinderverwahranstalt beschrieben, damit ist doch eindeutig eine Bildungseinrichtung beschrieben. Und deshalb muss der Elternbeitrag wegfallen. Wenn der für Meinerzhagen gewonnene Träger nicht sicher ist, ob er dem Anspruch der offenen Ganztagsgrundschule gerecht werden kann und deshalb vorsichtshalber davon spricht, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der Betreuung liegt, dann ist das eine andere Sache. Das hat aber nichts mit der Einrichtung der offenen Ganztagsgrundschule zu tun. Wir sind einig mit den Gewerkschaften wie zum Beispiel Verdi und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die zusammen mit rund 20 Fachverbänden ebenfalls die Abschaffung des Elternbeitrages fordern. Wir jedenfalls werden dafür sorgen, dass dieses Thema, das eine breit angelegte Meinungs- und Willensbildung offenbar braucht, zunächst im Ausschuss und anschließend beim Haushalt 2006 beraten wird. Es ist in der Tat das erklärte Ziel der Liberalen, die Vereine stärker an den Betriebs- und Unterhaltungskosten der Einrichtungen zu beteiligen, die sie benutzen. Da gibt es sehr positive Beispiele hier in Meinerzhagen, aber auch noch sehr viele Unterschiede von Verein zu Verein. Weiterhin wollen wir die Gründung von Bürgerbad-Vereinen, für den Betrieb und Unterhalt der Freibäder, gefördert sehen. Zunächst in Valbert, dann aber auch in Meinerzhagen. Diese Bürgerbad-Vereine leisten bereits in ganz Deutschland eine ausgezeichnete Arbeit. Die Verwaltung müsste für interessierte Valberter Bürger jedoch einen konkreten Maßnahmenkatalog aufstellen für die schrittweise Übernahme der Verantwortung für den Freibadbetrieb.
Erklärtes Ziel der Liberalen ist außerdem die Überführung der Musikschule in private Trägerschaft. In Baden-Württemberg gibt es gar keine städtischen Musikschulen und in Meinerzhagen war die Musikschule bis Mitte der 60iger Jahre auch privat organisiert. Weiteres erklärtes Ziel ist es vor allem, dass ganz konsequente haushaltspolitische Entscheidungen für die Zeit nach einer Haushaltssicherung getroffen werden. Dazu kann im Einzelfall auch gehören, dass man sich von einer städtischen Einrichtung, die ein zu großes haushaltswirtschaftliches Risiko darstellt, trennt. Wir haben dazu in Hinblick auf den Sportplatz in Valbert einen Antrag gestellt, über den später zu befinden sein wird. Uns geht es in erster Linie nicht um die Trennung von dieser Anlage, sondern um erste Gespräche zum Inhalt.
Die Zeiten des „Ja – aber“, liebe Kolleginnen und Kollegen, des „sowohl als auch“ sind aus unserer Sicht endgültig vorbei. Wir müssen uns entscheiden. Vielen Dank!