Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
bitte gestatten Sie mir zunächst einige allgemeine Bemerkungen, bevor ich zum Haushalt selbst komme.
„Wir laufen Gefahr unsere kommunalpolitische Gestaltungsfreiheit zu verlieren“, so der Bürgermeister in seiner Rede zur Einbringung dieses Haushaltsentwurfs. Schuld daran seien Systemmängel in der Finanzausstattung der Kommunen, und dies zu ändern erfordere „gemeinsame politische Anstrengungen auf allen Ebenen.“
Natürlich gibt es diese Systemmängel, liebe Kolleginnen und Kollegen, und nicht erst seit gestern.
Dem wäre auch kaum etwas hinzuzufügen, wenn der Bürgermeister nicht auch noch anderes gesagt hätte, so zum Beispiel:
– Ohne diese gemeinsamen Anstrengungen, vor allem der Politik auf Bundes- und Landesebene, werden wir wenig ausrichten können, so sehr wir uns auch anstrengten.
oder:
– Wir laufen Gefahr unsere Gestaltungsfreiheit zu verlieren, gleichgültig was wir tun oder lassen.
oder auch:
– Es geht längst nicht mehr darum, unsere Finanzen vor Ort mit eigenen Bordmitteln aus ihrer Schieflage herauszuführen.
Und das, meine Damen und Herren, ist schlichtweg nicht wahr!
Dieser Versuch des Bürgermeisters, uns Hilflosigkeit einzureden, kommt mir so vor, als wenn mein Sohn käme (es gibt, wohlgemerkt, zum Glück keinen konkreten Anlass dafür) und sich darüber beschweren wollte, die Lehrer würden ihn nicht mögen, er erhalte keine Unterstützung und schon gar nicht die nötige Förderung in der Schule, er sei deshalb nicht in der Lage, die notwendigen Leistungen zu erbringen, die Versetzung sei ohnehin nicht zu schaffen, und deshalb brauche er auch keine Hausaufgaben mehr zu machen.
Ich würde mir über eine solche Haltung keine großen Gedanken machen, sondern ich würde mir sagen, das sei nun mal die Logik eines Elftklässlers, eines 17jährigen. Und ich wäre mir sicher: wenn er ein oder zwei Jahre älter ist und eher als heute Verantwortung für sich und seine Zukunft übernehmen kann, wird er anders darüber denken.
Aber von einem Bürgermeister, meine Damen und Herren, erwarte ich etwas anderes. Von einem Bürgermeister erwarte ich mehr!
Ich erwarte kein Lamentieren, sondern ich erwarte Maßnahmen, und wir können sie im Rahmen der uns verbliebenen Handlungsspielräume ergreifen. Es sind Maßnahmen, die kurzfristig die Voraussetzungen dafür schaffen, mittelfristig die akute Krise zu überwinden und langfristig dazu beitragen, unseren Haushalt zu konsolidieren, irgendwann uns sogar zu entschulden.
Ich erwarte also Maßnahmen, die Meinerzhagen zukunftsfähig machen.
Und zukunftsfähig, meine Damen und Herren, ist Meinerzhagen nicht. Soviel steht fest!
Welche notwendigen Maßnahmen das sind, bei den freiwilligen Leistungen, bei der Gebäudebewirtschaftung und vor allem der Personalwirtschaft, haben wir bereits früher hier und an anderer Stelle ausführlich erörtert. Das müssen wir jetzt nicht wiederholen.
Hingewiesen haben wir aber auch mehrfach darauf, dass die Verantwortung für unsere desolate Lage – eine Lage, die andere Kommunen, denen es viel früher deutlich schlechter ging als uns, längst überwunden haben – dass die Verantwortung für unsere Lage nicht allein der Bürgermeister, sondern auch und vor allem der Rat zu tragen hat.
Und es ist der Rat, der zumindest bis heute der vom Gesetzgeber und nicht zuletzt vom Wähler übertragenen Aufgabe, der Verwaltung über sein Budgetrecht politische Vorgaben zu machen, nicht gerecht wird.
Nun aber zum Haushalt selbst.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat sich bei der Frage, wie mit dem vorliegenden Entwurf zu verfahren sei, weniger mit einzelnen Haushaltspositionen beschäftigt, sondern vielmehr mit Vorgängen, die ein Licht auf das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Rat werfen.
Es sind haushaltsrelevante Vorgänge, die mit der Rolle des Rates und seiner Fraktionen im NKF und mit dem Budgetrecht des Rates zu tun haben.
1. Der Bürgermeister hat am 22. Februar den Haushaltsentwurf eingebracht und am 23. Februar, also einen Tag später, den Rat mit den Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen beginnen lassen. Die Termine für die Fachausschusssitzungen waren im Gegensatz zu früheren Jahren interfraktionell nicht abgesprochen worden.
Dazu:
– Mit Einführung des NKF hat der Gesetzgeber den Rat beauftragt, über den Produkthaushalt die Verwaltung zu steuern und zu kontrollieren. Dies geschieht üblicherweise auf dem Antragswege während der Haushaltsberatungen.
– Weiterhin wirken nach dem Willen des Gesetzgebers gem. § 56 Abs. 2 GO die Fraktionen bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Rat mit. Sie haben insofern Vorbereitungs- und Koordinierungsaufgaben hinsichtlich der Arbeit im Rat und in den Ausschüssen.
– Außerdem haben die Fraktionen gem. § 48 Abs. 1 GO und gemäß unserer Geschäftsordnung eigene Initiativrechte, können z.B. auf Antrag Angelegenheiten in die Tagesordnung aufnehmen lassen.
Wenn die Fraktionen jedoch zwischen Einbringung des Haushalts und dem Beginn der Beratungen in den Ausschüssen faktisch keine Gelegenheit zur internen Willensbildung erhalten, werden sie an der Wahrnehmung ihrer Rechte und Aufgaben gehindert. Die FDP-Fraktion ist ganz ausdrücklich nicht bereit, dies hinzunehmen.
2. Die Verwaltung hat im Entwurf der Haushaltssatzung unter § 8 erstmalig Bewirtschaftungsregeln vorgesehen, mit denen sie, sollte der Rat diese Regeln beschließen, größere Handlungsspielräume für eine flexible Haushaltsbewirtschaftung erhalten würde.
Rechtsgrundlage ist der § 21 GemHVO NRW. Die Gemeindehaushaltsverordnung sieht an dieser Stelle als Voraussetzung für das Einräumen derartiger Handlungsspielräume in der Regel eine weitgehende Umsetzung von NKF voraus, insbesondere dass Produktkennzahlen gebildet worden sind, dass die Entwicklung dieser Kennzahlen mit Hilfe einer Kosten- und Leistungsrechnung über das Jahr verfolgt werden kann und dass eine der Produktstruktur angepasste Organisationsstruktur mit klaren Budgetverantwortlichkeiten existiert.
Diese Voraussetzungen sind in Meinerzhagen nicht gegeben, sie sind allerdings für eine Vereinbarung der in § 8 des Satzungsentwurfs vorgeschlagenen Bewirtschaftungsregeln auch nicht zwingend. Die FDP-Fraktion ist jedoch der Auffassung, dass die Verwaltung sich nicht auf der einen Seite die Rosinen aus dem NKF herauspicken und auf der anderen Seite dem Rat die für seine Arbeit wichtigen Instrumente des NKF vorenthalten kann.
Deshalb wiederholt die FDP-Fraktion an dieser Stelle den in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses gestellten Antrag und schlägt vor, den § 8 des Satzungsentwurfs ersatzlos zu streichen. Der Bürgermeister wird gebeten, über diesen Antrag vor der Beschlussfassung über den Haushalt insgesamt abstimmen zu lassen.
3. Der vorliegende Haushalt sieht Investitionen in Höhe von rund 9 Mio. Euro einschließlich der Mittel aus dem Investitionsprogramm des Landes vor, Investitionen, die laut Satzungsentwurf in 2010 zu einer Kreditneuaufnahme von etwa 4,5 Mio. Euro führen sollen. Der größte Teil dieser Investitionen sind die im Bauprogramm aufgeführten investiven Maßnahmen.
Wie wir wissen, wird das Bauprogramm im Laufe des Haushaltsjahres in der Regel nicht in vollem Umfang realisiert. Der Kämmerer, der dagegen gehalten ist, mit realistischen Zahlen zu rechnen, geht in 2010 von einer Kreditneuaufnahme in Höhe von lediglich rund 2 Mio. statt der oben erwähnten 4,5 Mio. Euro aus. Dieser Annahme des Kämmerers, nicht jedoch dem Bauetat, entsprechen die Haushaltsansätze für Kassenkredite und Zinsaufwand.
In der Praxis werden die Auszahlungen für Investitionen im Laufe des Haushaltsjahres zunächst über eigene Mittel und über zinsgünstige Kassenkredite finanziert. Erst am Ende des Jahres werden für den fremdfinanzierten Teil vergleichsweise teure langfristige Darlehen aufgenommen.
Wollte der Baudezernent seinen hier vorgestellten Etat voll ausschöpfen, müssten entweder Kassenkredite in Höhe von mehr als 14 Mio. statt der vorgesehenen 12 Mio. Euro aufgenommen werden, oder aber es müssten die Auszahlungen früher im Jahr über langfristige Kredite finanziert werden. Dem wiederum würde der hier vorgenommene Ansatz für Zinsaufwendungen nicht entsprechen.
Wie man es auch dreht und wendet – im Entwurf widersprechen die Festsetzungen für Investitionen und Kreditneuaufnahme einerseits den Festsetzungen für Kassenkredite bzw. Zinsaufwendungen andererseits.
Wir haben diesen Umstand bereits vor einem Jahr festgestellt und kritisiert und auch in diesem Jahr im Ausschuss für PSVU einen Änderungsantrag gestellt, ohne dass der Ausschuss dem gefolgt wäre.
Die FDP-Fraktion ist jedoch nach wie vor der Auffassung, dass das Mindeste, was wir von der Verwaltung erwarten können, ein in sich schlüssiger Haushaltsentwurf ist.
4. In diesem Jahr nehmen wir, meine Damen und Herren, die Allgemeine Rücklage bekanntermaßen um deutlich mehr als 5 % in Anspruch. Wollten wir dies auch im nächsten Jahr tun, so müssten wir bereits in diesem Jahr der Aufsichtsbehörde ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen.
Um das zu vermeiden und dies auch für die Bezirksregierung nachvollziehbar zu machen, hat die Verwaltung bei der mittelfristigen Finanz- und Ergebnisplanung für 2011 Vermögensveräußerungen vorgesehen, die, falls im Hinblick auf die Unterschreitung der 5%-Grenze erforderlich, rund 3 Mio. € in die Kasse spülen und zu einem Ertrag in Höhe von 900.000 € führen sollen.
Davon, inwieweit diese Vermögenswerte, die im nächsten Jahr gegebenenfalls zur Disposition stehen sollen, marktgerecht bewertet sind, und ob es für diese Vermögenswerte ggf. einen Käufer geben könnte und ob ein solcher Verkauf ggf. im Laufe der nächsten 20 Monate vollzogen werden könnte, hat sich der Rat bis heute überhaupt keinen Eindruck verschaffen können.
Mit der Integration der Mittelfristigen Finanz- und Ergebnisplanung in den Haushaltsplan unterliegt diese Planung aber der Beschlussfassung des Rates. Der Rat soll also die Planzahlen für 2011, denen die o.g. Vermögensveräußerung zugrunde liegt, beschließen und damit die Feststellung treffen, dass die Vorlage eines Haushaltssicherungskonzeptes gem. § 76 Abs. 1 GO nicht notwendig ist,
obwohl ihm die Verwaltung dafür, dass die Vermögensveräußerung im Fall der Fälle tatsächlich gelingen könnte, bis heute keinerlei Anhaltspunkte geliefert hat.
Mal abgesehen davon, dass wir dem Verkauf von Tafelsilber, ohne dass ein solcher Verkauf in ein Haushaltskonsolidierungskonzept eingebettet wäre, ohnehin nicht zustimmen würden, lässt sich die FDP-Fraktion von der Verwaltung keinesfalls auf der einen Seite dumm halten und auf der anderen Seite mit in die Verantwortung nehmen.
Nun aber zum Fazit.
Der Bürgermeister hat in seiner Antrittsrede im Oktober letzten Jahres eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung eingefordert. Aber Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße.
Zusammenarbeit kann nicht so aussehen, dass die Politik den Bürgermeister im sogenannten „geschützten Raum“ arbeiten lässt, zu allem Ja und Amen sagt und vor lauter Konsens ihre eigentliche Aufgabe vergisst – nämlich die vorausschauende Gestaltung unseres Gemeinwesens.
„Man muss mit überkommenen Vorstellungen und Strukturen brechen können, wenn man Fortschritt will“, hat Reinhard Mohn einmal gesagt, der im letzten Jahr verstorbene Gründer der Bertelsmann-Stiftung.
Und genau das ist, was wir wollen und woran die FDP-Fraktion arbeitet: Keine Rückschau auf in der Vergangenheit Geleistetes, nicht Ergebenheit in Rahmenbedingungen und Stillstand, sondern Fortschritt für Meinerzhagen.